Biskra

Reisebericht aus dem Sanella-Album Afrika

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Seite 11

"Du kannst ruhig Tom zu mir sagen. Wir sind Europäer und müssen zusammenhalten. Bei den Marokkanern weiß man nie so recht, was sie im Schilde führen." Tom war ein famoser Kerl. Er gab mir einen Burnus, den ich von nun an immer trug. Dieser diente mir nachts als Decke und am Tage als Sonnenschutz. Wir näherten uns Biskra. Schon von weitem erkannte ich Lagerfeuer und die Silhouetten vieler Beduinenzelte. Als wir in Biskra ankamen, glaubte ich an einen Überfall. Wie sich aber herausstellte, schossen die Eingeborenen zur Begrüßung nur mit ihren Gewehren in die Luft. Tom war hier sehr beliebt. Biskra ist ein kleiner Ort inmitten eines großen fruchtbaren Gebietes mit vielen Dattelbäumen. Ein kleiner See spendet Wasser für das Vieh und genügend Feuchtigkeit für den Acker. Einige aus Felsbrocken gebaute Häuser gehörten einem wohlhabenden Marokkaner. Auch der größte Teil der Dattelplantagen war sein Eigentum. Noch in der gleichen Nacht begannen die Eingeborenen die Wagenkolonne mit Früchten zu beladen, da schon am nächsten Mittag die Rückreise angetreten werden sollte. Tom und ich waren Gäste des steinreichen Marokkaners. Er hatte viele Frauen. Ich sah sie zufällig beim Nachtmahl.

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Das war also ein Harem! An der Vielzahl der Frauen erkennt man den Reichtum eines Marokkaners, so sagte mir Tom. Ein paar Schritte hinter dem Harem lag die Moschee. Es war gerade Mitternacht, und vom hohen Minarett ertönte der Gebetsruf eines Muezzin. Die Mohammedaner warfen sich zum Gebet auf den Boden. Ich wollte die Andacht nicht stören und ging zurück zu Tom, der in einer riesigen Vorhalle vor herrlichen Speisen saß und tüchtig zulangte. Für mich war ein Kissen auf den Boden gelegt worden, und eine verschleierte Marokkanerin bedeutete mir, mich hinzuhocken. Stühle gab es hier nicht, und Tische waren ebenfalls nicht vorhanden. Vor mir standen auf großen Schalen verschiedene Gerichte: Hammel, Hühner und Tauben, dazu gab es Mandeln, Datteln und Nüsse. Ich aß, was ich nur schaffen konnte. Dann versteckte ich noch, ohne daß Tom etwas bemerkte, ein Stück Hammelfleisch in meinem Burnus. Für alle Fälle, dachte ich mir. Nachdem wir ausgiebig gegessen hatten, wurden wir in ein Schlafgemach geführt, in dem die kostbarsten Teppiche und viele Decken lagen, auf denen wir es uns bequem machen konnten. Ach, war das eine herrliche Nacht! Nur war sie leider zu kurz. Tom weckte mich, als die Sonne schon hoch am Horizont stand.

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Die Eingeborenen hatten die Kisten bereits auf die Wagen gepackt, und die Fahrt - zurück nach Algier - konnte beginnen. Bei Nacht war ich in Biskra angekommen, und bei Tage sah ich mit aller Deutlichkeit, wie schön dieser Ort war. Nicht nur Dattelplantagen, sondern auch große Olivenhaine und Palmen gab es dort. Tom und ich bedankten uns für die Gastfreundschaft. Ich murmelte ein paar englische Worte, die der Marokkaner sicher nicht verstanden hat. Nun begann die Rückreise. Erst jetzt konnte ich richtig ermessen, wie schwierig diese Strecke war. Tom sagte mir, gewöhnlich bediente man sich des Kamels als Reit- und Lastentier. Auch seine Handelsgesellschaft habe noch vor ein paar Jahren den Weg von Algier nach Biskra auf Kamelen zurückgelegt. Im Zeitalter der Technik aber bevorzuge er das Auto.

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